Tagen und feiern mit Strom aus dem Neckarkanal

ESSLINGEN: Ecoinn Hotel baut Deutschlands ökologischstes Veranstaltungshaus - Eröffnung im Mai geplant

Von Alexander Maier

Die Messlatte liegt hoch, wenn das Esslinger Ecoinn Hotel in der Ritterstraße eine neue Dependance eröffnet: Econvent nennt sich die Tagungsstätte, und sie soll "das ökologischste Veranstaltungshaus Deutschlands" werden. Zweieinhalb Jahre lang haben die Betreiber an ihrem Konzept und dessen Umsetzung gefeilt - nun steht das Projekt vor der Vollendung: Anfang Mai soll Einweihung gefeiert werden. Das Econvent passt perfekt ins Profil des Hotels, das 2009 angetreten ist, Gastlichkeit und Umweltbewusstsein in historischem Ambiente zu vereinen. Sechs Räume werden in dem neuen Veranstaltungshaus am Rossneckar für Tagungen und Festivitäten aller Art zur Verfügung stehen, wobei höchste ökologische Standards gelten.

 

Umweltbewusst und sozial

Das Ecoinn in der Kanalstraße empfiehlt sich als "ökologisch, ökonomisch und sozial": Die Zimmer sind mit baubiologisch unbedenklichen Materialien ausgestattet. Die Fußbodenheizung wird aus Wärmetauschern gespeist, die dem Wasser der Neckarkanäle Wärme entziehen. Und eine Wasserkraftanlage produziert zweieinhalb Mal so viel Strom, wie das Hotel braucht - der Rest wird ins Netz eingespeist. Zum ökologischen passt das soziale Profil: Betrieben wird das Ecoinn vom Stuttgarter Sozialunternehmen HoGa Tourist, das gezielt Mitarbeiter beschäftigt, die sich am regulären Arbeitsmarkt schwertun.

Neben Individualreisenden nutzen auch Veranstalter kleinerer Tagungen und Seminare das Ecoinn. "Viele Firmen legen heute großen Wert darauf, dass ihre Veranstaltungen in einem Haus stattfinden, das den ökologischen Gedanken betont", weiß Ecoinn-Manager Thomas Puchan. So genannte R18;Green MeetingsR17;, Veranstaltungen mit einer positiven Umweltbilanz, seien stark im Kommen. Das ist nicht überraschend, schließlich haben viele Firmen ganze Abteilungen, die sich gezielt mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigen. "Da ist es klar, dass deren Mitarbeiter genau hinschauen, dass ihr Seminar im passenden Rahmen stattfindet", weiß Puchan.

Schon bislang konnte das Hotel am Esslinger Hochschulcampus kleinere Seminare unter dem eigenen Dach anbieten, doch die Möglichkeiten waren begrenzt. Nun geht man mit dem Econvent in der Ritterstraße neue Wege: Sechs Räume sollen dort für "Green Meetings" und Feste zur Verfügung stehen - je nach Veranstaltung kann das Angebot von rund 20 bis 160 Personen reichen. "Wir wollen nicht den großen Kongressen im Neckar Forum Konkurrenz machen", sagt Thomas Puchan, unter dessen Regie das Econvent betrieben wird. "Doch wir sind sicher, dass es für die Größenordnung von Veranstaltungen, die wir im neuen Veranstaltungshaus anbieten können, eine Nachfrage in der Region gibt."

Moderne Technik im historischen Bau

Seit zweieinhalb Jahren verfolgt das Ecoinn das neue Projekt, und eigentlich wollte man das neue Veranstaltungshaus längst eröffnet haben. "Doch es ist nicht einfach, bei einem historischen Gebäude alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen", hat Thomas Puchan mehr als einmal erfahren. "Zu den eigenen Wünschen kommen die Erfordernisse von Denkmalschutz, energetischer Sanierung und Brandschutz, die auch nicht immer leicht miteinander zu vereinbaren sind." Mit dem Esslinger Architekten Albrecht Scherfer fand sich ein erfahrener Planer, der bereits das Gebäude des Ecoinn in der Kanalstraße baulich und energetisch auf den Stand eines Neubaus gebracht hat. Nun hat er mit dem Gebäude Ritterstraße 16, das von der Stiftung ProHumanitate in Stuttgart erworben wurde, die nächste Herausforderung angenommen.

Das neue Econvent wird derzeit denkmalgerecht ausgebaut - prägende Elemente wie die historischen Türen, die klassische Treppe oder der Stuck an den Decken werden neu herausgearbeitet. Und wie schon beim Ecoinn gelten auch beim neuen Veranstaltungshaus hohe energetische Anforderungen: Das Gebäude wird komplett mit LED-Beleuchtung, ökologischer Klimatisierung in vier von sechs Räumen und moderner Veranstaltungstechnik ausgestattet. Der benötigte Strom kommt aus der Wasserkraftanlage des Ecoinn, die genügend Strom produziert, um beide Häuser mehr als ausreichend zu versorgen. Und die erforderliche Wärme wird wie beim Hotel aus dem Wasser des Neckarkanals bezogen. "So kann man bei uns stadtnah und CO2-frei übernachten und tagen", verspricht Puchan, der sicher ist, dass Ecoinn und Econvent gegenseitig voneinander profitieren werden.

Ein Blick in die Baugeschichte

Das Gebäude Ritterstraße 16, wo das Ecoinn im Mai sein neues Tagungszentrum Econvent eröffnen möchte, hat eine lange und wechselhafte Geschichte. Der zweigeschossige Putzbau, wie er sich heute präsentiert, geht im Wesentlichen auf das im 18. Jahrhundert errichtete Schlachthaus zurück. Ursprünglich war der zwischen Rossneckar und mittelalterlicher Stadtmauer gelegene Bau entsprechend seiner Aufgabe eingeschossig - um 1871 wurde er für das städtische Eichamt aufgestockt und umgestaltet, wie es in der 2009 veröffentlichten Denkmaltopographie der Stadt Esslingen heißt. Dort steht außerdem zu lesen: "Charakteristisch für einen gründerzeitlichen württembergischen Kommunalbau ist die traditionsorientierte Fortführung der spätklassizistischen Formensprache (unter anderem symmetrische Fassadengliederung, dezent gerahmte hochrechteckige Fenster, Okulus im Giebel und ein auf profilierten Knaggen weit vorkragendes Satteldach)." 1894 hielt in der Ritterstraße 16 die Frauenarbeitsschule Einzug, die die Aufgabe hatte, junge Frauen zu Hilfskräften für die Textilindustrie auszubilden und auf ihre von der damaligen Gesellschaft vorbestimmte Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Dann wurde das Gebäude bis vor wenigen Jahren von verschiedenen Abteilungen der Esslinger Stadtverwaltung genutzt. adi