Im Hotel mit eigen Kraftwerk

Schnell fließt das Wasser im Rossneckarkanal, so schnell, dass es gefährlich wäre, reinzufallen. Hotelmanager Thomas Puchan muss deshalb manche Gäste warnen, sich nicht zu weit über das Geländer der Hotelterrasse zu lehnen. Aber gerade wegen seiner hohen Fließleistung ist der Kanal, der selbst im Dauerfrost der vergangenen Wochen zuverlässig durch sein schmales Bett strömte und die Turbinen antrieb, der ganze Stolz des Hauses. „Wo gibt es das schon, dass ein Hotel ein eigenes Kraftwerk besitzt und zwei Drittel des selbst erzeugten Stroms ins Netz einspeisen kann“, zeigt sich Puchan begeistert. Er ist Hotelbetriebswirt und leitet seit fünf Jahren das „Ecoinn“ in Esslingen.

Mit Gold ausgezeichnet

457 854 Kilowattstunden hat das eigene Kraftwerk 2016 erzeugt. Nur ein Drittel des Stroms wurde für das 59-Zimmer-Hotel selbst benötigt, der Rest ins öffentliche Netz eingespeist. Damit schaffte es das „Ecoinn“ locker, in der Umweltbewertung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) mit Gold ausgezeichnet zu werden. Es sei nicht nur ein klimaneutrales Haus, sondern wohl das weltweit effektivste „Plus-Energie-Hotel“ würdigte der Verband die beispiellos gute Nachhaltigkeitsleistung der Herberge.

Im Umweltcheck werden der Energie- und Wasserverbrauch, das Abfallaufkommen und die angebotenen Lebensmittel bewertet, ob sie regional, bio oder fair gehandelt sind. Alle diese Kriterien erfüllt das Hotel mit Leichtigkeit. Dort liegt der durchschnittliche Verbrauch bei nur sieben Kilowattstunden Energie pro Übernachtungsgast – für das Gold-Label wären knapp 40 Kilowattstunden noch zulässig. Außergewöhnlich ist auch der mit 400 Gramm niedrige CO2-Verbrauch – erlaubt sind für die Gold-Prämierung 13 Kilogramm.

Auch wenn das „Ecoinn“ nicht als Biohotel klassifiziert ist, „damit wären wir zu teuer für unsere Gäste“, sagt Puchan, werden bei allen Anschaffungen Produkte mit Bio-Siegel beziehungsweise aus regionalem Anbau bevorzugt. Die Brötchen kommen vom lokalen Biobäcker und der Honig vom Imker aus der Nachbarschaft. Auf kleine Portionsverpackungen wird zugunsten von Schüsseln und Schalen verzichtet, um Müllberge zu vermeiden. Der Hotelmanager hat zudem die Staubsauger im Haus abgeschafft – im ganzen Gebäude ist leicht zu reinigender Linoleumboden verlegt. Und die Wohntextilien kommen von lokalen Betrieben. Nur als Puchan den Orangensaft strich und auf lokalen Traubensaft umstellte, streikten die Gäste.

Minimaler CO2-Abdruck

Über die besonderen Eigenschaften des Hauses werden die Gäste aktiv aufgeklärt. Schautafeln zeigen die Leistungsdaten des Haus-Kraftwerks, und wie die Turbinen im Keller aussehen, demonstriert ein Modell im Frühstücksraum. Alle Gäste finden es gut, in einem klimaneutralen Hotel  zu übernachten und nur einen minimalen CO2-Abdruck zu hinterlassen. Aber nur zehn Prozent der Gäste, schätzt Puchan, kommen extra wegen dieser Eigenschaften. Die anderen – ein Mix aus Geschäftsreisenden und Touristen – schätzen die Nähe zu Flughafen, Messe oder Wasen und die besondere Atmosphäre.

Das Gebäude, eine ehemalige Mühle im Herzen der Esslinger Altstadt, hat einige Jahrhunderte Stadtgeschichte miterlebt, bis es vor elf Jahren mit großem Aufwand in das heutige Hotel umgebaut wurde. „Wir wollten eigentlich nach Tübingen“, erklärt Puchan. Dort allerdings passten die vorhandenen Projekte nicht zu den Vorstellungen der Stuttgarter Betreibergesellschaft GJB, die sich der Jugendsozialarbeit und Bildungsförderung widmet.

Auch das „Ecoinn“ ist eine Art  Sozialunternehmen. Hinter der historischen Fassade arbeiten 22 Mitarbeiter, teilweise mit Handicap oder aus Ländern, die durch ihre hohen Arbeitslosenquoten keine Chance auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz bieten. „Auch wenn man unsere Azubis wegen der Sprachprobleme länger auf keinen Gast loslassen konnte“, so Puchan, handle es sich um eine hochmotivierte Mannschaft, mit der die Zusammenarbeit  Spaß macht und klappt. „Damit lösen wir auch unsere eigenen Probleme“, sagt der Hotelmanager mit Blick auf die Schwierigkeit, ausreichend gute Azubis zu finden.

Gäste immer umweltaffiner

Puchan bedauert, dass das „Ecoinn“ bislang kaum Nachahmer hat. Natürlich habe nicht jedes Hotel eine eigene Stromquelle, aber auch mit Solarenergie und energiesparenden Maßnahmen könne man dazu beitragen, die Energiebilanz eines Hotels zu verbessern. Es lohne sich jedenfalls. „Die Gäste werden immer umweltaffiner“, beobachtet er. Doch seine Hotelkollegen wären häufig zu konservativ für ökologische Investitionen, die sich mittel- und langfristig aber schnell wieder rechnen würden. Dafür sind schon Delegationen aus China, Japan und sogar Nordkorea eigens nach Esslingen gereist, um sich über das weltweit energieeffektivste Hotel zu informieren.